Saul Tschernichowsky
1875 – 1943           Deutschland / Ukraine

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(hebräisch)

 

 

In Nachdichtungen von

ZaunköniG

 

 

Das Blut

 

 

1

 

Der Menschheit Erbe überdrüssig um uns rum,
Das, jeder Willenskraft beraubt, ein Herz gebärt,
So ganz vereinzelt, armselig und sinnentleert.
So straucheln wir, wie'n blindes Pferd, unsicher, plump,

Wie Treibgut sturmgepeitscht im wilden Ozean,
Wie Opiumsüchtige die dumpf im Fieber liegen,
Auf unsre Küken neidisch, daß sie ja nicht fliegen,
Das Licht der Freiheit vor der Stirn, froh himmelan.

Das Gotteslicht reißt quer den ganzen Himmel auf,
Durchbricht die Wolken, doch in unsrer engen Sicht
Ist das Allgegenwärtige ein fernes Funkeln.

Wir starren seit der Schöpfung schiefen Blicks darauf
in Rätsel eingesponnen. Kauernd blos im Dunkeln
schaun unsre Augen aus nach einem fernen Licht.

 

 

2

 

Schaun unsre Augen aus nach einem fernen Licht,
hält doch ein Narrenkodex uns im Spiel wie toll.
Die Herzen sind von Nichtigkeiten übervoll,
von trägen, leeren Tagen, trivial und schlicht.

Als wir noch klein war'n, uns am Wort der Amme weidend,
in Glück gewiegt mit ihrer ganzen Zärtlichkeit
erklangen Märchen voller roher Schlechtigkeit
und Märtyrern, hehr, heilig, für das Rechte leidend.

Wie Pilze schossen Dogmen über Nacht ins Kraut,
zum Fluch den Kriegern, Führern nur ein böser Scherz,
hat sich ein Heer von fleißgen Geistern aufgebaut

und tausendfach beschweren Sünden unser Herz,
bis man den alten Treueschwur aufs neue spricht,
im Alter, mit der Herrlichkeit im Angesicht.

 

 

3

 

Im Alter, mit der Herrlichkeit im Angesicht,
säet unser kindlich schlichtes Herz die Saat der Gnade,
des Lobs der Liebe - O, verhängnisvoll war gerade
dies Credo, das des Herzens Saiten zart bestrich.

O zarte Saiten! Lieder sindin euch so klar -
Beschämt von Menschen, die nach Erdengütern trachten
bleibt die Erlösung fern, weil Menschen sie nicht achten,
beim täglich feilschen auf dem türkischen Bazar.

Der Himmelsschaaren hellste Lichter schwinden schon;
Dem Bösen bleibt auf dieser Erde seine Macht,
Du hast dir, sorglos, selbst die Wunde beigebracht.

Die Frage bleibt, nach einer friedlichen Vision.
Bleibt diese Stimme morgen, erst im Jenseits stumm?
Wir suchen unser Credo im Mysterium.

 

 

4

 

Wir suchen unser Credo im Mysterium
als langharige Asketen oder mit Tonsur
extatisch schreiend oder auf des Mondes Spur
verführt und angeführt wie im Delirium

Zeit und Geschichte hüllen uns in dichten Dunst,
der unsre Augen beißend wie die Sonne blendet,
wo faules Wasser schwärend sich zum Himmel wendet,
aus Herzen Harfen schmelzt mit schwarzer Zauberkunst.

Die Seele krankt, beschwert mit einem schlimmen Fluche
und sucht die Flamme für ein leuchtendes Fanal,
von Menschen angefeuert auf der großen Suche,

wie Spreu, die mit dem Wind den Platz der Dresche flieht.
Sieh - die Gedanken sind zu leicht, taub und banal.
Wir wenden manchem Pfad uns zu der Phantasie.

 

 

5

 

Wir wenden manchem Pfad uns zu der Phantasie,
wir säen Brosamen und ernten Brot des Hohnes.
Kratzfüßig und devot ziehn wir zum Fuß des Thrones
und beugen vor den Weltreformern unsre Knie,

die uns zum Luftschloß führen aus dem Jammertal.
Als sie hinaufgestiegen sind die Zwergentürme
ihrer Versprechen, zollen wir noch Beifallsstürme,
freu'n uns an Lämpchen wie am Taglicht jedes Mal.

Schmeckt diese Suppe ab, die wir uns eingebrockt;
Die Freiheit ist's, die uns mit Geist und Korper lockt,
so leicht und licht. Das Biest hat uns laut ausgelacht

für den erkauften Traum. - Kommt, tretet ihn zu Staub!
Wir Narren haben an die Läuterung geglaubt,
so durstig nach dem Wort, das wahrheit klarer macht.

 

 

6

 

So durstig nach dem Wort, das Wahrheit klarer macht
bezahln wir jedem Händler doppelt Zins und Zoll
vom Blut der Jugend, makellos und übervoll,
von Frühlingssonne, die uns wärmt mit ganzer Macht.

Wie Heiden fliehen wir die Höhle nach der Nacht,
bis wir einst alt, schwach uns der Schlange gleich, ins Loch
zurückziehn, die zu ihrer Häutung sich verkroch,
und sich dort sicher fühlt, wo keine Sonne lacht.

Ihr Jugendträume! Seid wie Schmetterlinge sacht,
blüht mit den Blumen, wolltet frei wie Vögel leben.
Wo seid ihr nun? Von eurem Vogellied blieb Stille -

Wo ist der Held, heut tapfer seine Hand zu heben?
Er strauchelte durch Lügen oder eitlen Willen
von Fall zu Falle und vom Schatten in die Nacht.

 

 

7

 

Von Fall zu Falle und vom Schatten in die Nacht,
so sinken wir; ein Rest des Feuers, das noch raucht,
hat uns den eingetrübten Segen eingehaucht.
Wir preisen die Vernunft, die falsches Licht entfacht

und unserm Geist verhüllt, was er dereinst gelobt
in Freudenfülle und zu Lyra-Melodien.
was wir gewinnen mit Gesetz sind Theorien,
die, ach so klug, zivilisiert sind - und so grob.

Laßt uns nur endlich wieder wie die Kinder werden:
Ein Tropfen in der Flut - hört ihr die Wiesen klagen!
Kein Ziel und keine Regel und kein Herr, so wie#

wir einst gewesen sind, in längst vergangnen Tagen;
wir herrschten, eh wir weise waren, auf der Erde.
Sie langweilen, die Seher und die Prophetie.

 

 

8

 

Sie langweilen, die Seher und die Prophetie,
die unsre Erde retten wollen, jedes Leben,
mit Psalmen auf den Lippen, duldsam und ergeben,
die Welt bedecken mit Altären, in die Knie

gesunken, weiße Lämmer reiner Frömmigkeit,
bis sie sie erben, unterwerfen und sie schinden.
Um sich die Lorberkränze um das Haupt zu winden,
brandschatzen, morden sie mit Wolfes Grausamkeit.

Der endlos lange Blutstrom würde reichen, daß
geflutet würden Galilea und Hejaz
wenn sich die heilgen Henker ihren Blutzoll holen,

daß Blumenmatten wären statt dem Sand zu schauen;
die Wüsten würden, blutgetränkt, zu grünen Auen. -
Verflucht sind all die Götzendiener und Idole

 

 

9

 

Verflucht sind all die Götzendiener und Idole,
die Gottesbilder, Himmelsthrone neu errichten,
Papier und Stein mit Evangelien bedichten,
die Zeichen, Wunder zu verbreiten und Symbole.

Wernur versucht, für Gold den Glauben zu erkaufen
wird einen strengren Gottesrichtspruch kennen lernen
doch helles Feuer von den hohen dummen Sternen
läßt ihre Freude mächtig schäumend überlaufen.

Selbst am Altar, den sie als heilig sehn und gut
vergießen sie als Opferzoll noch Menschenblut,
führn Massen auf den Richtblock, die nicht mehr zu zählen:

All die, die wagen, ihren Herren abzuschwören,
mit großem Herzen und mit unbefleckten Seelen,
die ihre Wahrheit künden, die, die auf sie hören...

 

 

10

 

Die ihre Wahrheit künden, die, die auf sie hören,
sie tragen eine Doppelklinge in der Hand
und schür'n der Wahrheit und der Liebe Wunderbrand,
den sie durch Beten, fern und nah, heraufbeschwören

in Brozeseelen, unfruchtbaren Felsenherzen.
Sie scheinen gut, besiegen, was als schlecht erkannt,
durch Blut und Feuer, predigen in jedem Land
mit schlichtem Eifer ohne Angst vor eignen Schmerzen.

Doch Falschheit triumphiert um Wahrheit zu verhehlen
und Liebe gärt, wie Hefe gärt zu Alkohol.
Sie stinkt nach Scheiterhaufen, wo die Ketzer brennen

und jeden Denker wird dereinst ihr Schnitter sennen.
Sie glauben sich geschützt, doch niemand schützt die Seelen.
Die Weltverbesserer soll einst der Teufel holen.

 

 

11

 

Die Weltverbesserer soll einst der Teufel holen,
die sich für's Ziel verbiegen und am Herz beschneiden,
die an verwaister Seele, blindem Geiste leiden,
als schon die Hölle klafft, vom Paradies erzählen.

Wie Tölpel ziehn sie durcheinander und verheeren
die Griechentempel, Statuen und Monumente,
zerreißen mit Getöse Künstler-Pergamente
und hören nicht, des Menschen Seele aufbegehren,

bis sie im Höchsten letztlich unkenntlich geworden.
Sie referier'n was "Recht" und "Freiheit" heißen sollen,
die Gleichmacher, die dreist im Namen Gottes morden.

In Ketten schlagen sie die Sänger, die noch stören,
die sich noch widersetzen, die nicht lügen wollen,
der Schönheit Priester, die den Künsten angehören.

 

12

 

Der Schönheit Priester, die den Künsten angehören
und denen dedem heilges Licht zur Seite steht;
Wenn einer nur den Keim der Schönheit je erspäht,
muß er die Geißel neiderfüllter Zungen spüren.

Nur eine Dornenkrone ist der Mühe Lohn.
Hast du der Schönheit Feind, den Spötter, kommen sehen?
Mußt ein Servetus Calvin einst zur Seite stehen?
Sag du's mir, der noch träumt vom absoluten Ton!

Man ruft nach Leben aus den Tiefen eines Nichts
mit Myriaden Stimmen als geeintem Schrei,
doch keinen Seufzer, den wir dafür übrig hätten.

Wir streuen, verschenken Farben als Geschenk des Lichts.
Vorm heilgen Purpur sind allein die Menschen rein,
die ihren Musen folgen an die heil'gen Stätten.

 

13

 

Die ihren Musen folgen an die heilgen Stätten,
die waren heut wie gestern stets die selben. Von
ägyptens Hymnen auf den Namen Echnathon
und Davids Psalm sind wir gerührt, gerad' als hätten

wir ein einfühlsames Wiegenlied vernommen,
für Sklavenmägde, höh're Töchter, all zusammen.
Das Herz des müden Arbeiters sinkt wie die Flammen
und summt von Mythen, als sei Eva selbst gekommen.

Ein edles Credo wird sich in die Schöpfung betten,
das sich mit heißem Herzen an die Hoffnung hält,
daß Funken Funken säen, Taten 'was bewegen,

wie Blumen langsam wachsen mit dem Sommerregen.
So füge sich ihr Schicksal, wenn es Gott gefällt:
Sie werden unsre Welt mit ihren Liedern retten.

 

 

 

14

 

Sie werden unsre Welt mit ihren Liedern retten
und alles wirkt zu einer großen Harmonie,
doch heun erwacht die Bestie und mit Energie
bricht sie aus unsern Gründen und sprengt ihre Ketten.

Beraubt jeder Kultur, dem alten Flickenkleid
ersteht sie böse lachend auf und stolz wie nie...
'Die Menschenalter Wissenschaft, Philosophie
und Glaube; was habt ihr erschaffen mit der Zeit?

Die heilgen Purpurströme fließen, fluten, strömen um
die ganze Erde und die menschheit zu ertränken...
Kultur verschwindet und die Grenzen unsres Denken...

Ist's Nacht? ist's Morgen, der durch's Dunkel bricht?
Wir schauen Wunderbares im diffusen Licht,
der Menschheit erde überdrüssig um uns rum.

 

 

15

 

Der Menschheit Erbe überdrüssig um uns rum
schaun unsre Augen aus nach einem fernen Licht,
dem Alter mit der Herrlichkeit im Angesicht.
Wir suchen unser Credo im Mysterium.

Wir wenden manchem Pfad uns zu der Phantasie,
so durstig nach dem Wort, das wahrheit klarer macht,
von Fall zu Falle und vom Schatten in die Nacht;
Sie langweilen, die Seher und die Prophetie.

Verflucht sind all die Götzendiener und Idole,
die ihre Wahrheit künden, die, die auf sie hören;
die Weltverbesserer soll einst der Teufel holen.

Der Schönheit Priester, die den Künsten angehören,
die ihren Musen folgen an die heil'gen Stätten,
die werden unsre Welt mit ihren Liedern retten.

 

 

 

 

 

 

An die Sonne

 

 

1

 

Ich war die Hyazinthe, als ein Keim vor Gott,
in deren Welt nichts gilt als Seine Strahlensonne;
Ein Engel drängt die Blüte: 'Wachs, und sing vor Wonne
Ihm Freudenlieder in den Nesseln' und Er bot

den Tau, den ich von satter Scholle sog, Es wehten
die Düfte schwerer Erdenkrume um mich rum...
Fehlt es an Priestern in der Großstadt Heiligtum,
daß er mich auserwählt, geformt hat zum Propheten?

Geb ich geringer auf das Harz der Zeder acht,
als auf das Oel, das ein geehrtes Haupt erhält?
Schätz ich den Duft des Birnenbaums, den ich bewacht,

geringer als es Weiherauch und Narde wären?
Ich knie still vor Ihm, um freudig ihn zu ehren;
Ich war noch ohne Korn, ein grüner Halm im Feld.

 

 

 

2

 

Ich war noch ohne Korn, ein grüner Halm im Feld,
die wie die Rosen wuchs. Ich reifte, wurde groß
und ein Geheimnis birgt ein jedes Korn im Schoß:
Ein Pfand des Lebens, ein Relikt aus alter Welt.

Wie eine Ähre saugt vom frisch gepflügten Land
den Saft des Lebens, träumend von Entfaltung,
so wuchs auch ich! Doch bald galt mir Enthaltung.
Es folgte Tag auf Tag; lös ich nun ein mein Pfand?

Mein Traum blieb fern, Ich seh nicht wo die Wege sind,
Ich wend mich um und frage, was das Meine sei...
Hab ich mein Ziel erreicht? Ist alles schon vorbei?

Ist denn mein Vater einer, der sein Wort nicht hält?
Ich bin das Korn, der Same, meines Vaters Kind,
getauft durch frischen Tau, der morgens niederfällt.

 

3

 

Getauft durch frischen Tau, der morgens niederfällt
aus schummeriger Tiefsee, die nur Stille kennt,
aus dichter Wolke, welche überm Krater brennt,
bis er gen Himmel birst, zurückläßt diese Welt.

Dort läßt sich über ungezählte Sterne staunen;
in ihrem Rücken flammt die Sonne rot das Meer.
Geheimnisse der Ewigkeit von Alters her,
der Bauern Traditionen und der Städter Launen.

Ich bin als Mittelpunkt in eine Welt gesetzt,
als Achse und Essenz so übervoll geschätzt,
für heute, morgen und für die vergangnen Jahre:

Ich hab die Gnade, unbegrenzte Farben zu erfahren.
Er schuf mich reich, wie es nur ihm stand zu Gebot,
durch Symphonien von Licht und Schatten, blau und rot.

 

4

 

Durch Symphonien von Licht und Schatten, blau und rot;
durch Schnee gesalbt; in Träumen eingewiegt aquamarin,
lebt man sein Leben. Heiße Funken sprühn darin,
gesättigter Porphyr, das Kielwasser der Boote,

die Maserung im Mahagonhi, warm und weich,
das rote Laub der Buche, starke Farbenflut;
die Morgen- oder Abendstunde treibt im Blut,
und Gold träuft, allerorten wächst ein Lebensreich.

Es ist in wundervollen Melodien gebunden.
Löst mir der Mathematiker des Lebens Fragen?
Willst du mir, Biologe, deine Antwort sagen?

Wie viele schlichte Herzen, hab ich es gefunden.
Es irrt nicht, wer die Stimme seines Herzens hört;
ich kenn' die Leiden jeden Alters, war betört.

 

 

 

5

 

Ich kenn' die Leiden jeden Alters, war betört
von Pharaonenträumen, Mythen, Hieroglyphen,
von Schriften, Amuletten, die Druiden schufen
und von sakralen Liedern, die ich je gehört,

aus alten Zeiten und versunkenen Kulturen,
von den erzählten Traditionen alter Bauern,
der Eingeweihten Verse, aufgesagt mit Schauern
von heiliger Verzückung. Beter sehn die Spuren

des fremden Glanzes, bitten dort doch Fleisch und Blut;
Oh, du Geheimniswahrer, nimm in deine Hut
dies Blut, in dem das Feuer deiner Gnade loht.

"Bewahr den Funken, der aus deinem Feuer stammt!"
so tönt das Wort, das tief in bittren Herzen flammt.
Von mancher Seele Stimme klingt's voll Licht und Not.

 

6

 

Von mancher Seele Stimme klingts voll Licht und Not
in mir, an meinem Tun und Unterlassen zweifelnd,
auf dieser Schwelle stehend, selbst am Zweifel zweifelnd,
der launisch wogend mich wie böser Traum bedroht.

Mit Dialektik, die sich an die Meinung hielt,
versuchte ich EL Shaddais Wort zu untergraben.
Die Waffen reiner Unschuld glaubte ich zu haben,
als schon mein Heilsein in Alltäglichkeit zerfiel.

War's nicht der Duft von fetter Erde, der sich bot,
von Spreu, die das Aroma trägt aus dem Getreide?
War's nicht der Klang der Pflugschar und der Sichel Schneide?

All dies in mir, als Zeugen meiner Blütezeit.
Doch fragte ich bei mir, "Was bleibt in Kampf und Streit?",
wie ich so dastand zwischen Leben oder Tod.

 

 

7

 

Wie ich so dastand zwischen Leben oder Tod,
(Wie schmerzhaft die Berufung!) Messer in der Hand,
vor Freude weinend nun, und nun in Zornes Brand,
Im letzten Licht, das todgeweihte Augen floh

zum Höhlenfeuer das für mich scheint ganz allein,
zum Donnerschlag, der in den Auen dröhnt und raucht.
Mit letzter Zeile war mein Leben ausgehaucht,
als raubte man dem Thronportal den schönsten Stein,

und einen letzten Funken doch im Auge findet,
das doch noch Licht erkennt, das doch noch nicht erblindet,
und nun im Feuer blitzt, im Feuer das zerstört,

dem Fordernden, aus dem mir Not und Terror wird,
war ER; und seine Majestät hat mich verwirrt, -
Kam ich zu früh? Hat Gott zu warten aufgehört?

 

 

8

 

Kam ich zu früh? Hat Gott zu warten aufgehört?
Die 'Götter' sind bei mir, die Welt ringsum belebend.
Ich ehr' euch, Sterne, mein Gebet zu euch erhebend,
Vom Licht des Tages und vom blassen Mond betört.

Doch nichts, Oh Sonne, die mich wärmt, ist ohne Dich!
Ihr seid mir Sonmnenkinder: Mottenbrut in Wolle.
Seid Sonnenkinder: Mammutbaum und Knoblauchknolle,
wie Kohle sich sin Hitze wandelt und in Licht.

Das Leben ist nur Stimme, eines Schöpfers Beten!
die Fehen schrei'n zu DIr, wenn sie den Wurf gebären,
Zur Morgenstund besingen dich die Schlachttrompeten,

und vom Gebet die Sonnen schwingen in den Sphären.
Auch ich bin Teil des Chors und sollte mich getrauen.
In meinem Herz blieb Tau, der fiel auf Edoms Auen.

 

9

 

In meinem Herz blieb Tau, der fiel auf Edoms Auen,
der nun in Gottes Wüste heil'ge Sande tränkt.
Ein Lied lebt auf in mir, wenn sich der Schatten senkt
und läßt mich einen neuen zarten Stern erschauen.

Der Nächte Schwingen werfen Schatten erdenwärts;
Die Wüste und die Nacht sind Ausdruck einem Werk,
und alle Stämme sammeln sich an Zions Berg.
Sie beugen zitternd sich vor ihm in Freud und Schmerz.

Obwohl mein Volk den blauen Himmel eingetauscht,
Obwohl dem Volk kein Stern mehr strahlt und trotz der Fronen,
kehrts doch zu IHm zurück und geht erneut voran -

Einmal im Monat sucht es in der Nacht den Rausch,
dem Vollmond zu begegnen, und den segnets dann; -
Hoch auf dem Dach der Welt, dort muß die Gottheit wohnen.

 

10

 

Hoch auf dem Dach der Welt, dort muß die Gottheit wohnen,
umwölkt von Licht, mit feurigem Gesetz. Ihr Strahl
beugt leicht am Euphrat der Chaldäer Götzen Bal,
Und selbst am Nil erblassen Sphinx und Steinikonen.

Um Götter zu zerschmettern hält Gott seinen Stab;
Es wächst der Stolz des Zeus: Er gibt dem Marmor Leben;
Im Norden sind des Wotans Bäume ihm ergeben,
und Wurm wie Motte zehrt an Lybiens Priestergrab.

In neuer Zeit erstrahlt im Osten neues Licht;
Sieh, die Idole Eritreas stehn auf Ton
und hell genug glänzt auch Arabiens Halbmond nicht.

Die Zeiten werden neue Götter generieren,
die wir bestaunen und mit neuen Liedern ehren.
Mein Herz besingt die Sonne und den Orion.

 

 

11

 

 

Mein Herz besingt die Sonne und den Orion -
Werft ihr mich in den Staub; ,uß ich mich richten lassen,
weil ich nicht pur gieß meinen Wein zu Gottes Massen
und ich nicht teilnehm an der Gottproklamation?

In seinem Himmelstempel ist kein Bild, kein Buch
Und in des Kosmos' Schönheit Gottes Cherub schweigt,
hat mir kein Blendwerk einer Ahnenschrift gezeigt
um mich zu binden an vorschnell gegebnen Spruch.

Doch kommt die Flut von heiliger Inspiration,
erschauderst freudig du, so klar die Schöpfung sehend,
um am Geheimnis allen Lebens teilzuhaben.

Stolz und wahrhaftig in der Liebe vor ihm stehend,
nimmt Er dich an, wie einen Garten voller Gaben,
wenn Früchte reifen an den Bäumen oder Bohnen.

 

 

12

 

Wenn Früchte reifen an den Bäumen oder Bohnen,
Wildkräuter wuchern, Zäunen oder Hecken blos,
die Traubenkerne reifen in der Traube Schoß,
die Sonnenstrahlen uns vor heißrem Brand verschonen,

ist manches davon nach Epochen nicht verloren.
Das Land bleicht aus, so wie der Duft von Holz verfliegt,
wo Haus und Hütte endlich dem Verfall erliegt
in Fürstengräbern, Sarkophagen und Amphoren.

Doch wenn's sich nach Äonen in den Spalten zeigt,
erstrahlen Turmesspitzen und der Prinzen Thron,
ein Funkensprühen in die Unberührten steigt;

Es brennt im Geist der Denker und im Kammerton
der Mücken. In der gottlosen Generation
komm' ich dem Zauber alter Götter nicht davon.

 

 

13

 

Ich komm' dem Zauber alter Götter nicht davon,
denn sie verschönern jedes, was sie kennt auf Erden,
und weise wird die Schönheit, schön die Weisheit werden;
auf Meer und Hades regnets Güte vom Plafont.

Ich bin entzückt vom Meereswind und von den Bäumen,
die mir vom Frost erzählen, seinem Atem von Achat,
vom Pfeil der Sonne; und im Tempel sucht' ich Rat;
Des Lichts Wille sehe ich in meinen Träumen.

Ein Funke brennt im Ost, bewahrt aus Kanaan,
Dan's Bilder fordern mich, des Tamarisken Code,
ich ehre der Chaldäer Ur und Asheroth.

Was ist mein Weg, wo ist der Pfad dem ich vertraue?
Ist mein Oel Gottes? Bin ich Zeus mehr zugetan?
Und sei es nur ein Götzenbild, das ich erschaue.

 

14

 

Und sei es auch ein Götzenbild, das ich erschaue;
soll'n wir in Ewigkeit das Lied der Kraft erwecken
und das Geheimnis der Materie entdecken,
von den Atomen, die so Gold wie Zinn erbauen;

Von ihrer unbeseelten Drehung aufgeschwungen
will sie sich in das ganze Pflanzenreich erstrecken.
Aus ihr ersteht die ganze Reihe: Schimmelflecken,
das Moos, die Mandeln und die Elefantenjungen.

Und Hitze, Strom wie Licht uns das Geheimnis bot,
was ein Magnet, ein Same offenbaren kann,
ein Sinnesnerv, ein ganzes Leben angespannt.

Und die Mysterien vereinen sich - zum Leben.
Es dankt der Sonne, die ihm Energie gegeben.
Ich war die Malve oder Lilie vor Gott.

 

 

15

 

Ich stand als Hyacinth, als Malvenkelch vor Gott,
als eine Feingoldähre im ererbten Feld.
Am Berg der Nebel, Regen wurden mir gestellt
in Symphonien von Licht und Schatten, Blau und Rot.

Die Stämme wurden mir bewußt; ich war betört
von einer Stimme, die mir leuchtet durch die Not,
noch halb im Leben stehend, halb im nahen Tod -
Trieb ich's voran? Hat Schöpfung in mir aufgehört?

Nachts senkt sich in mein Herz, der Edom ließ betauen,
am Berge Hor, wo unser Gott der Urzeit wohnte,
dort wo mein Herz zu Sonne summt und Orion.

Seit Früchte an den Bäumen reifen, Kohl und Bohnen
komm' ich dem Zauber alter Götter nicht davon; -
Wird man in mir ein Bild vom Reich der Götzen schauen?